Illustration auf dem eine Person ein Schild "Save the planet" nach oben streckt

Nachhaltige Kapitalanlagen.

"Kein Modethema, das weggeht."

Unser Pressereferent Matthias Schenk spricht mit Andrea Brinkmann (TeamBank), Michael Jessen (UmweltBank) und Dr. Jobst Leikeb (NÜRNBERGER) über nachhaltige Finanzprodukte und Kapitalanlagen. Alle Unternehmen sind in Nürnberg zu Hause, arbeiten mit dem Geld der Kunden und verfolgen jeweils einen eigenen Ansatz, wenn es um Nachhaltigkeit geht.

[Schenk] Modelabels nehmen in ihren Geschäften alte Klamotten an. Brauereien pflanzen beim Kauf von zwei Kästen Bier einen Baum. Lassen Sie sich beim Einkaufen dadurch beeinflussen?

[Brinkmann] Ich nehme das gerne wahr, hinterfrage aber auch: Wo wird der Baum denn gepflanzt? Ist es die heimische Fichte? Und auch bei Kleidung achte ich bereits beim Kauf auf Nachhaltigkeit.

[Jessen] Ja, man achtet darauf. Aber ich will hinter die Fassade schauen. Denn das Thema wird in so vielen Facetten gespielt. Trotzdem bringen solche Lockangebote das Thema in die breite Masse.

[Leikeb] Ich finde es vor allem wichtig, dass ich bei solchen Angeboten emotional und rational dahinterstehen kann.

[Schenk] Haben Sie das Gefühl, dass der Nachhaltigkeitsgedanke in der Bevölkerung zunimmt?

[Leikeb] Ja, das gilt für Kunden, aber auch für Unternehmen. Das ist kein Modethema, das weggeht. Und das wird uns über die nächsten Jahrzehnte begleiten.

[Jessen] Wir merken schon seit Jahren, dass immer mehr Menschen auf den Gedanken kommen: Nachhaltigkeit muss nichts sein, was Rendite kostet. Sondern sie bringt für alle eine Rendite, die man nicht in Geld bemessen kann.

[Brinkmann] Nachhaltigkeit bei jüngeren Generationen ist eine Art neues Normal und stellt beeindruckend die Vielfalt der Thematik dar. Neben Umweltaspekten wird auch der eigene Umgang mit Geld reflektierter. Wo kommt es her und wie verwende ich es?

Andrea Brinkmann

Andrea Brinkmann Illustration

TeamBank

Verantwortet seit 2018 die Unternehmenskommunikation der TeamBank, in der auch das Thema Nachhaltigkeit und die Förderung der Stiftung "Deutschland im Plus" verortet ist. Das gesellschaftliche Engagement spiegelt sich in den Werten und in der Unternehmenskultur der TeamBank wider.

[Schenk] Welche Rolle spielt die junge Generation? Und welche Rolle Sie?

[Leikeb] Junge Menschen wissen sehr genau, was Nachhaltigkeit für sie bedeutet. Sie treiben die anderen Generationen - Stichwort Fridays for Future - verständlicherweise vor sich her. Unsere Aufgabe ist es, dem Kunden deutlich zu machen, wo wir uns als Unternehmen nachhaltig positionieren. Und wie komplex das Thema gerade bei Altersvorsorgeprodukten ist. Ich sehe uns da in der Rolle des Vermittlers und Aufklärers.

[Schenk] Laut einer Nachhaltigkeits-Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge sinkt das Interesse an Nachhaltigkeit bei den älteren Generationen…

[Jessen] Das können wir so nicht bestätigen und sehen es nicht als Generationenfrage. Sondern: Was ist einem wichtig? Also dem Kunden aufzeigen, dass Nachhaltigkeit keine Altersfrage ist. Zum Beispiel wollen bei uns viele Großeltern für ihre Enkel Geld nachhaltig anlegen. Sie wollen also nicht nur das Geldgeschenk übergeben, sondern auch etwas Gutes tun.

[Brinkmann] Vielmehr ist es doch so, dass sich Ältere - die sich die eigenen Wünsche bereits erfüllen konnten - bei den Ausgaben oft darauf fokussieren, dass es ihren Liebsten gut geht. Kaufentscheidungen werden auch dort bewusster getroffen.

[Schenk] Das magische Dreieck der Kapitalanlage besteht aus Sicherheit, Rentabilität und Liquidität. Manche bezeichnen es auch als Viereck, weil eben als weiteres Kriterium für eine Anlageentscheidung die Nachhaltigkeit hinzukommt. Sehen Sie auch ein Viereck?

[Leikeb] Ich persönlich bevorzuge eher den Begriff "Dreieck 2.0". Denn Nachhaltigkeit muss bei uns in allen bekannten Bereichen berücksichtigt werden. Es macht z. B. keinen Sinn, in ein Unternehmen zu investieren, das seine Lieferketten nicht im Griff hat - Stichwort Soziales. Und es gibt klare No-Gos: Wir als NÜRNBERGER schließen Investments in Firmen aus, die mit Streumunition und Antipersonenminen Geld verdienen.

Dr. Jobst Leikeb

Jobst Leikeb Illustration

NÜRNBERGER Versicherung

Arbeitet in der NÜRNBERGER im Bereich Kapitalanlagen und leitet dort seit 2018 das Team Investment Management/Recht. Dort liegt auch die Verantwortung für Konzeption und Weiterentwicklung der ESG-Prinzipien für die NÜRNBERGER Kapitalanlagen. Im Juli 2020 wurde er in den Vorstand der NÜRNBERGER Krankenversicherung und der GARANTA berufen.

[Schenk] Stichwort Soziales. Sie spielen auf die ESG-Kriterien an. Also Environmental (E), Social (S) und Governance (G)…

[Leikeb] Richtig! Also es geht um die Aspekte Umwelt- und Klimaschutz, Soziales und Menschenrechte sowie Unternehmensführung. Bei Wertpapieren und Aktien achten wir darauf, dass unsere Assetmanager ohne weitere Erläuterung nur bis zu einem bestimmten Grenzwert eines sogenannten ESG-Ratings, das diese Kriterien aggregiert betrachtet und das wir zuvor eingekauft haben, Investments tätigen. Also der sogenannte comply-or-explain-Ansatz kommt hier zum Tragen.

[Jessen] Auf unserer No-Go-Liste stehen z. B. fossile Energien, Kernenergien und kontroverses Umweltverhalten. Auf der anderen Seite sind die Positiv-Kriterien ganz wichtig. Dass beispielsweise ein Unternehmen dafür Sorge trägt, dass keine Armut herrscht oder nachhaltige Städte und Gemeinden entwickelt werden. Und wenn mehrere Positiv-Kriterien erfüllt werden, sehen wir das als nachhaltig an.

[Schenk] Nachhaltige Finanzprodukte - wie ist die Resonanz bei den Kunden?

[Jessen] Das aktive Nachfragen bei unseren Kunden, aber auch bei denen, die es werden wollen, nehmen wir verstärkt wahr. Also die Menschen wollen wissen, was wir da konkret machen.

[Brinkmann] Bei uns ebenso. Neben digitalen und umweltfreundlichen Prozessen spielen vor allem Vertrauen und Fairness eine Rolle. Das bedeutet z. B. keine versteckten Kosten, ein effektiver Schutz vor Überschuldung und eine persönliche Beratung. Die Bereitschaft, für Nachhaltigkeit mehr zu zahlen, ist noch verhalten. Insofern gilt es, Win-wins zu finden und clever zu verzahnen.

Michael Jessen

Michael Jessen Illustration

UmweltBank

Ist seit April 2011 bei der UmweltBank und startete im Bereich der privaten ökologischen Baufinanzierung. Er ist Teamleiter Finanzierung Privatkunden für ökologische Verbraucherkredite. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Finanzierung kleinerer, nachhaltiger Investitionen von Privatpersonen in Photovoltaikanlagen, Elektromobilität oder ökologische Sanierungen.

[Schenk] Apropos Kredit: Laut Schuldneratlas 2019 waren in Deutschland rund sieben Millionen Menschen verschuldet. Was kann die Finanzindustrie tun, um hier entgegenzuwirken?

[Brinkmann] Sie kann ihr Wissen weitergeben - Stichwort finanzielle Bildung. Überschuldung bedeutet Verlust an Lebensqualität und oft erhebliche psychische Belastungen. Seit 2003 fördern wir deswegen die Stiftung "Deutschland im Plus". Im Fokus sind dort präventive Bildungsangebote für junge Menschen, die für einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit dem eigenen Geld sensibilisieren.

[Jessen] Finanzielle Bildung ist in Deutschland immer noch ein Randthema. Alle Generationen sollten verstehen, was die Finanzindustrie macht und warum. Wir als Bank wollen jeden Kunden und sein Projekt kennenlernen. Wie geht es dem Kunden dabei? Passt das Projekt zu ihm? Vielleicht kann hier die Bank durch Beratung Überschuldung vermeiden.

[Schenk] Wie würden Sie einem potenziellen Kunden erklären, warum er auf ein nachhaltiges Produkt setzen soll?

[Leikeb] Ich würde ihm erklären, dass der Kunde ja an einem langfristig stabilen Kapitalertrag interessiert ist. Und das funktioniert eben nur im Rahmen einer nachhaltigen Kapitalanlage.

[Jessen] Nachhaltigkeit hört nicht auf, wenn ich mein Geld abgegeben habe. Sondern wenn ich es zurückbekomme und weiß, dass die Bank das Geld nachhaltig angelegt hat.

[Brinkmann] Wahrscheinlich gar nicht. Vielmehr sollte es uns doch allen wichtig sein, Produkte und Services ganzheitlich und so nachhaltig wie möglich aufzusetzen, damit Kundinnen und Kunden rational entscheiden können.

[Schenk] Herzlichen Dank für das Gespräch!

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Nachhaltigkeitsmagazin 2021 (PDF, 4.14 MB)

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